Die Haftung in der oHG ist persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. In diesem Artikel erfährst Du, was das bedeutet, wie sie funktioniert, welche Änderungen die MoPeG-Reform bringt und worauf Du als Gesellschafter:in achten solltest.
Grundlagen der oHG-Haftung
Die oHG (Offene Handelsgesellschaft) bringt nicht nur unternehmerische Freiheit, sondern auch volle Verantwortung mit sich. Gesellschafter:innen haften persönlich, unbeschränkt und mit dem eigenen Privatvermögen. Wenn das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, wird im Ernstfall auf Deine privaten Rücklagen oder Dein Eigentum zurückgegriffen.
Diese Regelung ist nicht neu, doch 2024 wurden durch das MoPeG Paragraphen geändert und einige Regelungen klarer und praxisnäher gestaltet.
Was sich mit dem MoPeG seit 01.01.2024 geändert hat
Das MoPeG – kurz für „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ – hat die rechtlichen Rahmenbedingungen für die oHG umfassend reformiert.
Eine wichtige Änderung betrifft das neue Beschlussmängelrecht nach § 110 HGB, welches nun zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen unterscheidet. In § 109 HGB werden außerdem Regelungen zur Beschlussfassung präzisiert. Auch die freie Namenswahl ist möglich – so ist es nicht mehr Pflicht, den Namen eines/einer Gesellschafter:in in den Unternehmensnamen aufzunehmen.
In Hinblick auf die Haftungsregelungen bleibt die grundlegende Vorschrift bestehen, ist nun allerdings in § 126 HGB statt § 128 HGB festgehalten. Somit bleibt die unbeschränkte, gesamtschuldnerische Gesellschafterhaftung bestehen.
Änderungen gibt es jedoch in Bezug auf die Nachhaftung für Schadensersatzforderungen. Vor der Reform 2024 hafteten Gesellschafter:innen auch nach ihrem Austritt für diese, wenn das entsprechende Schuldverhältnis vor ihrem Ausscheiden geschlossen wurde und die Forderung innerhalb von fünf Jahren nach dem Austritt fällig wurde.
Mit dem MoPeG ändert sich diese Regelung: Inzwischen muss nur noch das Ereignis, das zu der Schadensersatzforderung führte, vor Austritt des/der Gesellschafter:in eintreten – unabhängig davon, wann das Schuldverhältnis entstand. Die Nachhaftung wird in diesem Punkt also begrenzt.
Wer haftet bei einer oHG?
Kurz gesagt, haften alle Gesellschafter:innen persönlich und mit ihrem gesamten Vermögen. Bei offenen Verbindlichkeiten nimmt der/die Gläubiger:in also nicht nur die Gesellschaft in die Pflicht, sondern auch die einzelnen Partner:innen.
Genau das macht die oHG zu einer Rechtsform, die viel Vertrauen erweckt. Für die Gesellschafter:innen besteht jedoch echter Haftungsdruck.
Unbeschränkte Haftung in der oHG
Die persönliche Haftung in der oHG kennt keine Obergrenze und ist damit unbeschränkt. Muss für Verbindlichkeiten gehaftet werden, wird nicht nur Dein Anteil an der Gesellschaft berücksichtigt, sondern Dein gesamtes Vermögen. Der Grund für die Verbindlichkeit ist dabei irrelevant.
Da Dich anders als bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH keine Haftungsgrenze schützt, ist eine oHG nur dann sinnvoll, wenn Du Deinen Partner:innen vertraust und Dein eigenes Risiko gut einschätzen kannst.
Solidarische Haftung in der oHG
In einer oHG haften alle Gesellschafter:innen gemeinsam und allumfassend. Juristisch nennt man das „gesamtschuldnerische Haftung“. Gläubiger:innen können also selbst entscheiden, ob sie die Gesellschaft oder einzelne Gesellschafter:innen in Anspruch nehmen – und an wen sie sich konkret wenden.
Selbst wenn Du an einem bestimmten Vertrag gar nicht beteiligt warst, kannst Du mit Deinem gesamten Privatvermögen haftbar gemacht werden. Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung Deines Privatvermögens ist dabei ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel gegen Dich. Begleichst Du die Forderung allein, kannst Du Dir im Innenverhältnis Ausgleich von den anderen Partner:innen holen. Nach außen trägst Du jedoch die Verantwortung.
Wie wählen Gläubiger:innen, wen sie in Anspruch nehmen?
In einer oHG haben Gläubiger:innen die freie Wahl: Sie können die Gesellschaft als Ganzes verklagen oder eine:n bestimmte:n Gesellschafter:in mit einer Forderung konfrontieren. Auch mehrere Partner:innen können gleichzeitig belangt werden.
Wenn ein:e Gläubiger:in eine Forderung durchsetzen möchte, hat er/sie zunächst zwei Möglichkeiten:
- Titel gegen den/die betreffende:n Gesellschafter:in: Nach § 129 Abs. 2 HGB darf mit einem gesonderten Vollstreckungstitel gegen eine:n konkrete:n Gesellschafter:in direkt auf dessen/deren Privatvermögen zugegriffen werden.
- Titel gegen die oHG: Ein Titel gegen die Gesellschaft allein reicht nur aus, um das Gesellschaftsvermögen zu pfänden, nicht jedoch das Privatvermögen der Gesellschafter:innen. In diesem Fall muss zusätzlich ein Titel gegen die jeweiligen Personen erwirkt werden.
Sobald ein rechtskräftiger Titel gegen eine Person vorliegt, kann die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden – etwa durch Kontopfändung oder Beschlagnahmung von Eigentum.
OHG-Haftung: Privatvermögen
Die oHG geht mit einem hohen Maß an Verantwortung einher. Wenn es ernst wird, können Gläubiger:innen auch auf das Privatvermögen der Gesellschafter:innen zugreifen. Besonders heikel wird es in drei Konstellationen: Insolvenz, Austritt oder Eintritt eines Partners.
Bankrotte Partner:innen
Wird ein:e Gesellschafter:in zahlungsunfähig, trifft das alle, denn die Haftung in der oHG ist solidarisch. Gläubiger:innen können sich in dem Fall an die verbleibenden Partner:innen wenden und offene Forderungen in voller Höhe geltend machen. Dabei spielt es keine Rolle, wer den Schaden verursacht hat.
Insbesondere wenn Rücklagen oder eine klare Regelung im Gesellschaftsvertrag fehlen, kann diese Situation schnell existenzbedrohend werden.
Haftung ausscheidender Gesellschafter:innen
Auch ein Austritt beendet die persönliche Haftung nicht automatisch. Hier greifen die Vorschriften aus § 137 HGB.
Nach diesem Paragraphen haftet ein:e ausgeschiedene:r Gesellschafter:in weiterhin für Verbindlichkeiten, die während seiner Teilhabe entstanden sind. Dieses Konzept nennt man Nachhaftung. Sie kann bis zu fünf Jahre nach Austritt des/der Gesellschafter:in bestehen.
Die Fünfjahresfrist ist auf alle Verbindlichkeiten anwendbar, die vor dem Austritt des/der Gesellschafter:in entstanden sind und innerhalb von fünf Jahren nach seinem/ihrem Austritt fällig werden. Sollte es sich um eine Schadensersatzforderung handeln, tritt die Nachhaftung nur ein, wenn die Pflichtverletzung, aus der diese Forderung resultiert, vor seinem Ausscheiden stattfand.
Die Frist beginnt erst, wenn der Austritt entweder offiziell in das Handelsregister eingetragen oder den Gläubiger:innen nachweislich mitgeteilt wurde. Fehlt dieser Nachweis, kann sich die Nachhaftung ungewollt verlängern.
Wer aus einer oHG ausscheidet, sollte seinen Austritt also klar dokumentieren und melden. Nur so lässt sich das persönliche Haftungsrisiko wirksam begrenzen.
Haftung neu eintretender Gesellschafter:innen
Wer neu in eine oHG eintritt, übernimmt nicht nur aktuelle, sondern auch alte Risiken – selbst wenn sie Jahre zurückliegen.
Laut § 127 HGB haftet jede:r neu eintretende Gesellschafter:in auch für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft. Das gilt gegenüber Gläubiger:innen vollumfänglich und persönlich. Eine Haftungsfreistellung im Gesellschaftsvertrag kann zwar intern greifen, schützt aber nicht nach außen.
Wer also in eine bestehende oHG eintritt, sollte nicht nur den Gesellschaftsvertrag genau prüfen, sondern auch einen Blick in die Bücher werfen.
FAQ
Wie haften die Gesellschafter:innen einer oHG?
In einer oHG haften alle Gesellschafter:innen persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Gläubiger:innen können einzelne Gesellschafter:innen oder alle Partner:innen gemeinsam in voller Höhe in Anspruch nehmen – auch mit dem Privatvermögen.
Was ist ein:e persönlich haftende:r Gesellschafter:in?
Ein:e persönlich haftende:r Gesellschafter:in übernimmt die volle Verantwortung für die Schulden der oHG. Er oder sie haftet dabei nicht nur mit seinem/ihrem Anteil am Unternehmen, sondern auch unbegrenzt mit dem eigenen Vermögen.
Kann ich mich gegen die Haftung in der oHG absichern?
Nur bedingt. Extern, also gegenüber Gläubiger:innen, haftest Du immer persönlich und unbeschränkt. Intern lassen sich Regelungen treffen, etwa zur Haftungsfreistellung bei Eintritt oder klaren Zuständigkeiten. Auch Versicherungen wie eine Betriebshaftpflicht oder eine D&O-Police können helfen, Risiken abzufedern. Einen wirklichen Haftungsschutz wie bei einer GmbH gibt es in der oHG jedoch nicht.
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