Scheinselbstständigkeit kann viele Selbstständige und Unternehmen betreffen, ohne dass sie es merken. Dabei kann sie große rechtliche und finanzielle Konsequenzen mit sich bringen. In diesem Artikel erfährst Du, was Scheinselbstständigkeit ist, woran man sie erkennt und worauf Du achten musst.

Inhalt

Was ist eine Scheinselbstständigkeit?

Es kann sein, dass auch Du in einer Scheinselbstständigkeit steckst, ohne dies zu wissen. Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was dieser Begriff überhaupt bedeutet.

Die Scheinselbstständigkeit kann aus Sicht des Selbstständigen und aus Sicht des:r Arbeitgeber:in betrachtet werden. In beiden Fällen stellt sie ein Problem dar. Grundsätzlich bedeutet Scheinselbstständigkeit, dass eine Person offiziell als Selbstständige:r arbeitet, in Wirklichkeit aber wie ein Angestellter behandelt wird.

Dies kann dazu führen, dass der/die Selbstständige Sozialabgaben für den entsprechenden Zeitraum nachzahlen muss. Auch der/die Auftraggeber:in ist in diesem Fall zur Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet. Finanzamt und Sozialversicherungen akzeptieren ein solches Arbeitsverhältnis zwischen Auftragnehmer:in und Auftraggeber:in nicht als selbstständig.

Viele Selbstständige und Unternehmen rutschen in die Scheinselbstständigkeit, ohne dies zu merken. Besonders betroffen sind Freiberufler:innen in der IT-Branche, im Medienbereich oder im Handwerk. Auch Lieferfahrer für Essensdienste sind oft scheinselbstständig. Stellt sich bei einer behördlichen Prüfung heraus, dass ein:e Selbstständige:r wie in einem Angestelltenverhältnis arbeitet und gearbeitet hat, kann das auf beiden Seiten für Probleme und Kosten sorgen.

Ab wann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor?

In § 2 UStG sind die Begriffe Unternehmer und Unternehmen klar geregelt. Doch es gibt weitere Kriterien neben dem unternehmerischen Status, die zeigen, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht. Wir werden hier über die wichtigsten vier davon sprechen.

  • Ein erstes Warnsignal für eine Scheinselbstständigkeit sind feste Arbeitszeiten. Wenn ein:e Freiberufler:in oder ein:e Selbstständige:r an feste Arbeitszeiten gebunden ist, liegt häufig eine Scheinselbstständigkeit vor. Echte Selbstständige können sich ihre Zeit und ihr Arbeitspensum selbst einteilen.
  • Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anzahl der Auftraggeber. Hat ein:e Freiberufler:in oder ein:e Selbstständige:r nur einen Auftraggeber, kann das ebenfalls ein Zeichen von Scheinselbstständigkeit sein. Hierbei gilt die Faustregel von 80 Prozent des Umsatzes: Wer über längere Zeit mehr als 80 Prozent seines Umsatzes nur mit einem Kunden erzielt, gerät schnell in den Fokus der Prüfer.
  • Die Benutzung von Geräten und Räumen des:r Auftraggeber:in kann ebenfalls als Indiz angesehen werden. Selbstständige arbeiten meist mit eigener Ausrüstung und oft zu Hause oder in einem eigenen Büro. Wer oft den Computer oder das Büro des Kunden nutzt, ist von diesem abhängig und nicht wirklich selbstständig.
  • Auch die Gebundenheit an Arbeitsanweisungen ist ein Faktor. Freiberufler, die genaue Vorgaben befolgen, was wie und wann zu tun ist, sind wahrscheinlich keine echten Selbstständigen.

Scheinselbstständigkeit: Beispiele aus der Praxis

Ein typischer Fall von Scheinselbstständigkeit wäre ein Grafiker, der seit zwei Jahren nur für eine Werbeagentur arbeitet. Er hat feste Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr und nutzt bei seiner Arbeit die Computer der Agentur. Seine Aufgaben bekommt er täglich vom Art Director zugeteilt. Er kann dabei nicht entscheiden, ob er diese annimmt oder ablehnt. Außerdem hat er keine anderen Kunden und rechnet monatlich ein festes Honorar ab. Hier würden die Behörden mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass keine echte Selbstständigkeit vorliegt.

Ein anderes Beispiel ist ein Handwerker, der seit einem Jahr nur für einen Großunternehmer arbeitet. Er bekommt jeden Morgen eine Baustelle zugeteilt und fährt mit dem Firmenwagen dorthin. Seine Arbeitszeiten sind vorgegeben und er trägt sogar die Firmenkleidung des Unternehmens. Auch hier ist die Abgrenzung zur normalen Arbeitnehmertätigkeit kaum noch gegeben.

Checkliste Scheinselbstständigkeit: Bin ich betroffen?

Wie Du mittlerweile weißt, ist es nicht immer einfach, eine Scheinselbstständigkeit festzustellen. Gerade im Arbeitsalltag oder bei großen Projekten geht dieser Gedanke schnell unter. Woran erkennt man also genau, ob man betroffen ist oder nicht?

Wenn Du eine Scheinselbstständigkeit vermutest, gibt es mehrere Aspekte, die Du prüfen solltest. Die wichtigsten davon betreffen die Arbeitsorganisation, die Einbindung in den Betrieb und die wirtschaftliche Situation:

Arbeitsorganisation und Weisungsgebundenheit

Ein selbstständiger Unternehmer kann frei entscheiden, wann und wie er seine Arbeit erledigt. Wenn man wie ein:e Angestellte:r feste Arbeitszeiten einhalten muss, ist dies ein starkes Anzeichen dafür, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt.

Auch die Art der Anweisungen ist wichtig. Wer detaillierte Vorgaben dazu bekommt, was er zu tun hat und wie die Arbeit ausgeführt werden soll, gilt eher als Arbeitnehmer:in. Echte Selbstständige können ihre Arbeitsmethoden selbst bestimmen und Aufträge ablehnen, wenn sie keine Kapazitäten haben. Sie dürfen auch andere Leute mit ihrer Arbeit beauftragen. Wenn all diese Freiheiten nicht gegeben sind, sollte man sich Gedanken über seinen Status machen.

Integration in das Unternehmen

Wie stark man in den Betrieb des:r Auftraggeber:in eingebunden ist, spielt auch eine große Rolle. Wenn man eine Firmen-E-Mail-Adresse hat oder im internen Telefonbuch steht, ist dies ein Zeichen für eine Scheinselbstständigkeit. Außerdem deutet die Teilnahme an Teambesprechungen oder Betriebsfeiern ebenfalls auf eine zu enge Bindung hin. Diese Teilnahmen sind eher für Angestelltenverhältnisse üblich.

Genauso kann die Nutzung von Zeiterfassungssystemen oder Projektmanagement-Tools problematisch sein. Selbstständige arbeiten normalerweise mit ihren eigenen Systemen und organisieren sich selbst. Wer zu sehr in die Strukturen des Auftraggebers eingebunden ist, läuft Gefahr, als scheinselbstständig eingestuft zu werden.

Nutzung von Betriebsmitteln des Auftraggebers

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bereitstellung von Arbeitsmitteln. Echte Selbstständige arbeiten mit eigener Ausrüstung. Dazu zählen beispielsweise nicht nur Computer, sondern auch das eigene Büro oder Homeoffice. Wenn man dagegen den Computer des Auftraggebers nutzt oder einen festen Arbeitsplatz hat, weist das auf eine Scheinselbstständigkeit hin.

Auch die Nutzung eines Firmenfahrzeugs oder spezieller Arbeitsgeräte des:r Auftraggeber:in bedarf einer genauen Überprüfung. Wer seine Werkzeuge oder Berufskleidung von einem:r Auftraggeber:in gestellt bekommt, sollte sich also Gedanken über seinen Status machen.

Wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber

Die sogenannte Scheinselbstständigkeits-5/6-Regelung der Deutschen Rentenversicherung ist eine gute Faustregel. Sie besagt, dass besondere Vorsicht geboten ist, wenn man mehr als fünf Sechstel des Umsatzes mit einem einzigen Kunden erzielt. Das sind rund 83 Prozent.

Diese Art von unausgewogener Umsatzverteilung zieht schnell die Aufmerksamkeit der Prüfer:innen auf sich. Spätestens ab einem Zeitraum von sechs Monaten, in dem der Großteil des Umsatzes auf einen Kunden entfällt, besteht Grund zur Annahme einer Scheinselbstständigkeit.

Allerdings sind all diese Punkte lediglich Indizien. Auch Selbstständige, die mehrere Kunden haben, können betroffen sein. Umgekehrt kann jemand, der einen Großteil seines Umsatzes mit einem Großkunden erzielt, trotzdem wirklich selbstständig sein. In diesem Fall wäre die Entscheidungsfreiheit von größerer Bedeutung. In der Regel wird bei der Prüfung das Zusammenspiel mehrerer Scheinselbständigkeits-Kriterien berücksichtigt.

Aktuelle Rechtsprechung und Urteile zu Scheinselbständigkeit

Laut einem Scheinselbstständigkeits-Urteil vom 24.10.2024 des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen wurde ein Radioreporter als sozialversicherungspflichtiger Angestellter eingestuft. Der Mann hatte feste Arbeitszeiten und erhielt ein Pauschalhonorar. Außerdem arbeitete er regelmäßig für denselben Sender.

Das Gericht entschied, dass die tatsächliche Arbeitsweise wie feste Arbeitszeiten und die Einbindung ins Unternehmen entscheidend sind, auch wenn ein:e Selbstständige:r formal selbstständig ist. Die kreative Natur der Arbeit sei hierbei nicht zu berücksichtigen.

Ein weiteres Scheinselbstständigkeits-Urteil stammt vom 28. Juni 2022 und wurde vom Bundessozialgerichts (BSG) erlassen. In diesem Fall wurde entschieden, dass Lehrkräfte trotz Honorarvertrag als Angestellte gelten können. Dies ist besonders relevant, wenn sie Schulräume nutzen und fest in den Betrieb eingebunden sind.

Auch hier ist nicht der Vertrag entscheidend, sondern die tatsächliche Arbeitsweise. Echte Selbstständigkeit erfordert eine freie Zeiteinteilung, mehrere Auftraggeber:innen und eigenes unternehmerisches Risiko. Dieses Urteil ist für alle Arten von Lehrkräften relevant, die nicht in einem Angestelltenverhältnis in einer Schule arbeiten.

Wie wird Scheinselbstständigkeit geprüft?

Offiziell wird die Scheinselbstständigkeit durch das Statusfeststellungsverfahren geprüft. Dieses Verfahren kannst Du ganz einfach bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen. Wer sich also unsicher ist, kann diese Prüfung kostenlos durchführen lassen. Sie wird aber auch häufig bei Betriebsprüfungen durchgeführt. Dabei ist kein gesonderter Antrag nötig.

Für ein freiwilliges Statusfeststellungsverfahren musst Du das entsprechende Formular ausfüllen und mit allen relevanten Unterlagen einreichen. Zu den wichtigen Dokumenten gehören Verträge, Rechnungen und Dokumente, die die Art der Zusammenarbeit aufzeigen. In der Regel dauert das Prüfungsverfahren zwei bis drei Monate.

Am Ende erhält man einen Bescheid, der für vier Jahre gilt. Dieser Bescheid ist für alle Sozialversicherungsträger bindend. Dies bedeutet, dass auch die Krankenkasse und andere Sozialversicherungen die Selbstständigkeit anerkennen müssen, wenn sie im Rahmen der Prüfung festgestellt wurde.

Die nötigen Antragsformulare können auf der offiziellen Webseite der Deutschen Rentenversicherung heruntergeladen werden.

Beim Statusfeststellungsverfahren wird von den Behörden genau geprüft, wie die Zusammenarbeit zwischen dem:r Selbstständigen und dem:r Auftraggeber:in in der Praxis aussieht. Dabei verlangen sie Einsicht in Verträge, Rechnungen und die Kommunikation mit dem:r Auftraggeber:in.

Teils werden auch persönliche Besuche angesetzt, um die Arbeitsbedingungen des:r Selbstständigen zu bewerten. Die Prüfer:innen achten dabei besonders auf die oben genannten Kriterien. Ziel dieser Besuche ist, festzustellen, ob man wirklich frei und eigenständig arbeitet oder ob man wie ein:e Angestellte:r eingebunden ist.

Anwaltliche Prüfung der Scheinselbstständigkeit

In vielen Fällen lohnt es sich, rechtlichen Rat einzuholen. Besonders wenn hohe Nachzahlungen drohen oder wenn eine Betriebsprüfung ansteht, ist anwaltliche Hilfe sinnvoll.

Solltest Du Dich dazu entscheiden, ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten, empfiehlt es sich, schon zu Beginn einen kompetenten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Im Antragsformular werden in vielen Punkten auch rechtliche Wertungen abgefragt. Ein:e Fachanwält:in für Arbeitsrecht kann die Situation genau einschätzen und Dir helfen, die beste Strategie für Deinen Fall zu entwickeln.

Auch bei der Gestaltung von Verträgen können Anwält:innen helfen, von vornherein alle Risiken zu minimieren. Wenn man schon in Verdacht geraten ist, kann ein Rechtsbeistand bei der Kommunikation mit den Behörden helfen. Er kann gegebenenfalls auch Widerspruch einlegen.

Folgen der Scheinselbstständigkeit für Auftraggeber:innen und Selbstständige

Die Folgen von Scheinselbstständigkeit sind keinesfalls einseitig. Es empfiehlt sich also nicht nur als Selbstständige:r, ein Auge darauf zu haben. Auch Auftraggeber:innen sollten das Arbeitsverhältnis regelmäßig überprüfen. Fehlende Vorsicht kann Nachzahlungen und weitere Konsequenzen nach sich ziehen:

Finanzielle Konsequenzen

Wie bereits erwähnt, bestehen Scheinselbstständigkeits-Strafen meist aus Nachzahlungen. Ihre Höhe kann je nach Länge des Arbeitsverhältnisses variieren. Grundsätzlich werden sie rückwirkend basierend auf den Sozialversicherungsbeiträgen der letzten vier Jahre berechnet. So können sich schnell mehrere zehntausend Euro ansammeln. Hinzu kommen Zinsen, Bußgelder und Bearbeitungsgebühren.

Außerdem sind steuerliche Probleme möglich. Das Finanzamt kann die Einkünfte des:r Selbstständigen neu einstufen und Steuern nachfordern. Auch Zweifel an den angegebenen Betriebsausgaben sind möglich. Sollten diese Zweifel erhärten, können die Betriebsausgaben aberkannt werden. Diese Konsequenzen können eine:n Selbstständigen finanziell stark belasten.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Wenn die Behörden eine Scheinselbstständigkeit feststellen, entsteht rückwirkend ein normales Arbeitsverhältnis. Als Selbstständige:r erhält man in diesem Fall alle Rechte eines:r Arbeitnehmer:in. Hierzu gehören Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und unter Umständen sogar Kündigungsschutz.

Für den/die Auftraggeber:in bedeutet dies, dass er all diese Ansprüche rückwirkend erfüllen muss. Dementsprechend muss er/sie auch die damit verbundenen Sozialabgaben nachzahlen, die er eigentlich hätte abführen müssen. Insbesondere für kleine Unternehmen kann dies schnell zu einer Insolvenz führen.

Wie kann man Scheinselbstständigkeit vermeiden?

Damit Du diese Probleme als Selbstständige:r oder Auftraggeber:in vermeiden kannst, haben wir in diesem Artikel alle wichtigen Punkte genannt, auf die Du achten solltest. Wirf auch einen Blick auf folgende Tipps. Bei Unsicherheiten solltest Du einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder Steuerberater zu Rate ziehen!

Tipps für Selbstständige

Um als Selbstständige:r nicht in den Verdacht geraten, scheinselbstständig zu sein, kannst Du verstärkt auf einige Punkte achten.

Zunächst solltest Du darauf achten, mehrere Auftraggeber:innen zu haben. Eine gute Faustformel besagt, dass Du nicht mehr als 80 % Deines Umsatzes mit einem Kunden machen solltest. Zudem solltest Du sicherstellen, dass Du Deine eigenen Arbeitsmittel nutzt. Dazu gehören unter anderem Dein Laptop, Dein Arbeitshandy, Dein Werkzeug und Dein Büro.

Außerdem solltest Du stets klare Vertragsklauseln festlegen. Es sollte klar sein, dass Du als Selbstständige:r tätig bist, keine festen Arbeitszeiten hast und nicht weisungsgebunden bist. Auch Deine Außenwirkung kann relevant sein. Beweise für unternehmerisches Handeln wie Deine eigene Unternehmenswebseite, Deine Visitenkarten oder Unterhaltungen mit anderen Kunden können Deine Unabhängigkeit belegen.

Für den Fall einer Überprüfung ist es auch ideal, wenn Du vorher alles dokumentiert hast. Halte also Kundenkorrespondenzen, Arbeitszeiten und andere relevante Aspekte schriftlich fest.

Tipps für Auftraggeber

Unternehmen sollten darauf achten, dass sie Selbstständige nicht wie Angestellte behandeln. Sie sollten also keine festen Arbeitszeiten vorgeben, keine firmeneigenen Geräte zur Verfügung stellen und die Selbstständigen nicht zu stark in den Betrieb einbinden. Auch hier empfiehlt es sich, diese Punkte vertraglich festzuhalten. Die Verträge sollten richtig und klar gestaltet werden.

Als Auftraggeber:in kann es hilfreich sein, sich die Selbstständigkeit schriftlich bestätigen zu lassen und regelmäßig Angebote von verschiedenen Dienstleistern einzuholen.

Scheinselbstständigkeit und gesetzliche Regelungen

Die deutsche Rechtsprechung bietet klare gesetzliche Grundlagen für die Bewertung von Unternehmertum und Scheinselbstständigkeit. Sie dienen als zentrale Orientierungspunkte für Gerichte, Behörden und Betroffene.

Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen findet man im Sozialgesetzbuch und Bürgerlichen Gesetzbuch. Wichtig ist einerseits § 7 SGB IV, der den Begriff der abhängigen Beschäftigung definiert. In § 611a BGB sind Details zu Arbeitsverträgen und Weisungsgebundenheit festgehalten. Diese Paragraphen bilden das Fundament für die Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen.

Außerdem gibt es viele Fälle von Scheinselbstständigkeit, die vor Gericht gegangen sind. Durch diese Urteile wird die Beurteilung der Scheinselbstständigkeit stetig konkretisiert und weiterentwickelt. Entsprechende Beispiele haben wir bereits oben im Text aufgeführt.

Diese Konkretisierung der Scheinselbstständigkeit hat natürlich zur Folge, dass auch Behörden bei ihren Prüfungen immer genauer vorgehen. Sie achten besonders auf bestimmte Branchen, in denen Scheinselbstständigkeit häufig vorkommt. Dazu gehören:

  • Medien- und Kreativbranche
  • Liefer- und Transportwirtschaft
  • Handwerksbranche und technische Dienstleistungen
  • Bildungs- und Gesundheitssektoren

Scheinselbständigkeit und Rentenversicherungspflicht

Die Rentenversicherung für Selbstständige gerät zunehmend in den Fokus der Regierung. Grundsätzlich gibt es pflichtversicherte und freiwillig versicherte Selbstständige. Einige freiberufliche Berufsgruppen unterliegen keiner Rentenversicherungspflicht. Zu den pflichtversicherten Freiberufler:innen zählen unter anderem Handwerker:innen und Hausgewerbetreibende, Lehrer:innen, Hebammen, Erzieher:innen und Pfleger:innen, Künstler:innen und Publizist:innen, Seelots:innen, Küstenschiffer:innen und Fischer:innen.

Wenn ein:e nicht rentenversicherungspflichtige:r Selbstständige:r größtenteils Aufträge für nur eine:n Auftraggeber:in ausführt und somit scheinselbstständig ist, besteht eine Rentenversicherungspflicht. Ein bereits genanntes Beispiel ist der Fall, bei dem eine freie Musiklehrerin als rentenversicherungspflichtig eingestuft wurde, da ihre Arbeit für eine Musikschule einem Angestelltenverhältnis glich.

Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Scheinselbständigkeit

Selbstständige können sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Nach § 6 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist dies beispielsweise für Existenzgründer möglich. Sie können beantragen, sich für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Auch hier besteht die Gefahr, dass man in eine Scheinselbstständigkeit rutscht und dass nach einem Statusfeststellungsverfahren ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt wird.

Es spielt keine Rolle, ob ein:e Selbstständige:r aufgrund des Berufsbilds von der Versicherungspflicht ausgenommen ist oder ob er/sie einen gesonderten Antrag gestellt hat. Eine Scheinselbstständigkeit geht immer mit einer Sozialversicherungspflicht einher. Sie gilt im Normalfall rückwirkend ab dem Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis. In manchen Fällen tritt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung in Kraft. Das gilt jedoch nur, wenn der Antrag innerhalb des ersten Monats der Beschäftigung gestellt wurde.

Diese rückwirkende Verrechnung stellt nicht nur für den/die Selbstständige:n selbst, sondern auch für den/die Auftraggeber:in ein Risiko dar. Sie führt dazu, dass Selbstständige:r und Auftraggeber:in rückwirkend ihre Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen müssen.

FAQ

Wie wirken sich Unternehmensform und Rechtsform auf das Risiko der Scheinselbstständigkeit aus?

Rechtsformen können das Risiko einer Scheinselbstständigkeit reduzieren, denn Kapitalgesellschaften wie GmbH und UG sind meist Unternehmen mit mehreren Angestellten. Dies senkt die Gefahr, als scheinselbstständig abgestempelt zu werden. Freiberufler:innen und Einzelunternehmer:innen müssen öfter nachweisen, dass sie unabhängig arbeiten.

Welche Möglichkeiten gibt es, eine bereits festgestellte Scheinselbstständigkeit rückgängig zu machen?

Man kann innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Auch kann man seine Arbeitsweise anpassen. Man kann beispielsweise neue Kund:innen gewinnen oder mehr eigene Arbeitsmittel nutzen. Falls die Einstufung als scheinselbstständig falsch erscheint, kann auch vor dem Sozialgericht Klage eingereicht werden.

Welche Möglichkeiten hat ein Auftragnehmer, wenn er als scheinselbstständig eingestuft wird?

Wird ein:e Auftragnehmer:in als scheinselbstständig eingestuft, kann er/sie den Bescheid anfechten. Alternativ können auch hier die Arbeitsbedingungen angepasst werden, wie oben beschrieben. Andernfalls kann man die Einstufung akzeptieren und im Angestelltenverhältnis weiterarbeiten. Jede Option hat rechtliche und finanzielle Folgen.

Welche Auswirkungen hat die Scheinselbstständigkeit auf die Arbeitslosenversicherung?

Die Einstufung als Scheinselbstständige:r hat große Auswirkungen auf die Arbeitslosenversicherung. Da man als Selbstständige:r keine Beiträge einzahlt, besteht in dem Fall auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Falls man als scheinselbstständig eingestuft wird, stehen jedoch rückwirkende Nachzahlungen an, womit eine Absicherung bei Arbeitslosigkeit möglich ist.

Wie kann ein Unternehmen sicherstellen, dass es keine scheinselbstständigen Auftragnehmer:innen beschäftigt?

Unternehmen sollten klare Verträge aufsetzen und keine festen Arbeitszeiten vorgeben. Bei Bedarf können sie von dem/der Selbstständigen ein Statusfeststellungsverfahren verlangen oder selbst beantragen. Sie können auch prüfen, ob Freelancer selbstständig arbeiten, mehrere Kunden haben und eigene Ausrüstung nutzen.

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