Das Niederstwertprinzip sorgt dafür, dass Vermögenswerte realistisch bewertet werden. Es ist ein zentrales Prinzip des HGB und schützt vor überbewerteten Bilanzen und unangenehmen Überraschungen. In diesem Artikel erfährst Du, wie das Niederstwertprinzip in der Praxis funktioniert und auf welcher gesetzlichen Grundlage es beruht.

Inhalt

Was ist das Niederstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip ist ein Grundpfeiler vorsichtiger Bilanzierung im Handelsgesetzbuch (HGB). Es besagt, dass Vermögenswerte höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder zum niedrigeren aktuellen Wert in der Bilanz stehen dürfen. Damit folgt es dem Vorsichtsprinzip, das vorschreibt, lieber zu vorsichtig als zu optimistisch zu bewerten. Ziel ist es, Verluste rechtzeitig zu erkennen und das Unternehmensvermögen nicht zu hoch auszuweisen.

Im Kern schützt das Prinzip Gläubiger:innen und Investierende, indem es Überbewertungen verhindert und ein realistisches Bild der finanziellen Lage liefert. Besonders relevant ist es bei schwankenden Marktpreisen, etwa für Waren, Wertpapiere oder Beteiligungen.

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Welche gesetzliche Grundlage hat das Niederstwertprinzip im HGB?

Das Niederstwertprinzip ist eindeutig im Handelsgesetzbuch geregelt, insbesondere in § 253 HGB. Dort steht, dass Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden dürfen. Liegt der aktuelle Markt- oder Börsenwert darunter, muss oder darf der niedrigere Wert angesetzt werden – je nach Art des Vermögens.

Ergänzend legt § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB das Vorsichtsprinzip fest. Hiernach müssen alle vorhersehbaren Risiken und Verluste berücksichtigt werden, auch wenn sie erst nach dem Bilanzstichtag bekannt werden. Es bildet die Grundlage für das Imparitätsprinzip, das wiederum das Niederstwertprinzip erklärt: Vermögenswerte werden vorsichtig bewertet, indem mögliche Verluste sofort, Gewinne aber erst bei Realisierung berücksichtigt werden.

In Verbindung sorgen diese Vorschriften dafür, dass Unternehmen ihre Vermögenswerte nicht zu optimistisch ansetzen. Dadurch entsteht ein ehrliches, verlässliches Bild der finanziellen Lage.

Welche Arten des Niederstwertprinzips gibt es?

Das Handelsgesetzbuch unterscheidet zwei Varianten des Niederstwertprinzips: das gemilderte und das strenge Niederstwertprinzip. Beide folgen dem gleichen Grundgedanken, unterscheiden sich aber in der praktischen Anwendung.

Während das gemilderte Prinzip für das Anlagevermögen gilt und etwas Spielraum lässt, ist das strenge Prinzip beim Umlaufvermögen kompromisslos. Entscheidend für die Anwendung ist also, ob ein Vermögenswert dauerhaft im Unternehmen verbleibt oder nur kurzfristig genutzt bzw. verkauft wird.

Was ist das gemilderte Niederstwertprinzip?

Das gemilderte Niederstwertprinzip betrifft das Anlagevermögen, also Gegenstände, die dem Geschäftsbetrieb dauerhaft dienen. Dazu zählen Maschinen, Gebäude oder Beteiligungen. In diesem Fall erfolgt eine außerplanmäßige Abschreibung – also eine bilanzielle Wertminderung – nur, wenn der Wertverlust voraussichtlich dauerhaft ist.

Erholt sich der Wert später, ist eine Zuschreibung bis maximal zur ursprünglichen Bewertungsobergrenze, den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, erlaubt. Diese Regelung soll verhindern, dass Unternehmen kurzfristige Marktschwankungen überbewerten.

Was ist das strenge Niederstwertprinzip?

Das strenge Niederstwertprinzip gilt für das Umlaufvermögen, also Vermögenswerte, die zum Verkauf oder zur kurzfristigen Nutzung bestimmt sind. Beispiele sind Vorräte, Handelswaren oder Wertpapiere.

Fällt ihr Marktwert unter die Anschaffungskosten, muss der niedrigere Wert angesetzt werden – unabhängig davon, ob der Rückgang nur vorübergehend ist. Eine Zuschreibung nach einem vorübergehenden Wertanstieg ist dagegen nicht erlaubt, solange der Gewinn nicht realisiert wurde. Grund hierfür sind das Vorsichts- und Imparitätsprinzip, denen zufolge Verluste sofort berücksichtigt werden müssen, Gewinne aber erst bei tatsächlicher Verwirklichung.

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Wie funktioniert das Niederstwertprinzip in der Praxis?

In der Praxis zeigt sich das Niederstwertprinzip bei jeder Bilanzierung. Dabei werden Vermögenswerte bewertet, indem Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit dem beizulegenden Wert verglichen werden.

So gehst Du Schritt für Schritt vor:

  1. Vermögensart bestimmen: Handelt es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen? Davon hängt ab, ob das gemilderte oder strenge Prinzip gilt.
  2. Anschaffungs- oder Herstellungskosten ermitteln: Die Ermittlung erfolgt nach § 255 HGB. Diese Kosten bilden die obere Bewertungsgrenze.
  3. Beizulegenden Wert feststellen: Hierbei handelt es sich um den Marktpreis, Börsenkurs oder Nettoveräußerungswert zum Bilanzstichtag.
  4. Vergleichen: Ist der aktuelle Wert niedriger, setzt Du diesen an.
  5. Abschreibung oder Zuschreibung buchen: Die Art hängt von der Wertänderung und ihrer Dauerhaftigkeit ab.
  6. Dokumentieren: Bewertungsmethode, Quellen und Annahmen sollten klar nachvollziehbar sein.

So stellst Du sicher, dass Deine Bilanz den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.

Beispiele des Niederstwertprinzips: Wie funktioniert die Bewertung in der Praxis?

Das Niederstwertprinzip zeigt seine praktische Bedeutung erst, wenn Zahlen ins Spiel kommen. Die folgenden drei Fälle verdeutlichen, wie unterschiedliche Vermögensarten bewertet werden, wie Wertminderungen berechnet werden und welche Buchungssätze sich daraus ergeben.

Nicht abnutzbares Anlagevermögen – Grundstück

Grundstücke werden nicht planmäßig abgeschrieben, können aber an Marktwert verlieren.
Nehmen wir an, Du kaufst am 01.01.2024 ein Grundstück für 500.000 €. Zum 31.12.2025 beträgt der beizulegende Marktwert nur noch 440.000 €. Die Minderung gilt als dauerhaft, wodurch das gemilderte Niederstwertprinzip greift.

Berechnung: 500.000 € (Anschaffungskosten) − 440.000 € (aktueller Marktwert) = 60.000 €.

Buchung 2025: Abschreibungen auf Sachanlagen 60.000 € an Grundstücke 60.000 €.

Steigt der Marktwert 2026 wieder auf 470.000 €, darfst Du gemäß § 253 Abs. 5 HGB bis zu den fortgeführten Anschaffungskosten zuschreiben.

Buchung 2026: Grundstücke 30.000 € an Erträge aus Zuschreibungen 30.000 €.

Abnutzbares Anlagevermögen – Maschine

Bei Maschinen greifen planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen ineinander.
Ein Beispiel: Eine Maschine wird am 01.01.2023 für 120.000 € angeschafft. Die Nutzungsdauer liegt bei sechs Jahren und die lineare AfA beträgt 20.000 €/Jahr.

Zum Bilanzstichtag 31.12.2025 sind drei Jahre vergangen – der Buchwert nach planmäßiger Abschreibung beträgt also: 120.000 € - 320.000 € = 60.000 €.

Wegen technischer Veralterung sinkt der beizulegende Zeitwert zusätzlich dauerhaft auf 50.000 €.

Berechnung: 60.000 € (Buchwert) − 50.000 € (Zeitwert) = 10.000 € außerplanmäßige Abschreibung.

Buchung 2025: Abschreibungen auf Sachanlagen 10.000 € an Maschinen 10.000 €.

Erholt sich der Wert später, musst Du gemäß § 253 Abs. 5 HGB eine Zuschreibung vornehmen – allerdings nur bis zu den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, also dem Wert, den die Maschine ohne außerplanmäßige Abschreibung hätte.

Umlaufvermögen – Vorräte

Beim Umlaufvermögen gilt das strenge Niederstwertprinzip. Hier zählt immer der niedrigere Wert. Nehmen wir an, ein Warenbestand am 31.12.2025 hatte Anschaffungskosten von 200.000 €. Der erzielbare Nettoveräußerungswert liegt bei 180.000 €.

Berechnung: 200.000 € − 180.000 € = 20.000 € Wertminderung.

Buchung 2025: Aufwand aus Wertminderungen Vorräte 20.000 € an Vorräte 20.000 €

Steigt der Marktwert 2026 auf 205.000 €, darfst Du bis zu den Anschaffungskosten zuschreiben.

Buchung 2026: Vorräte 20.000 € an Erträge aus Zuschreibungen 20.000 €.

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Was ist das Wertaufholungsgebot und wie hängt es mit dem Niederstwertprinzip zusammen?

Das Wertaufholungsgebot ist die logische Ergänzung zum Niederstwertprinzip. Es verpflichtet Dich, einen zuvor abgeschriebenen Vermögenswert wieder höher zu bewerten, sobald die Gründe für die Wertminderung nicht mehr bestehen. Gesetzlich ist dies in § 253 Abs. 5 HGB geregelt.

Das Prinzip greift vor allem beim gemilderten Niederstwertprinzip: Wenn ein Vermögensgegenstand des Anlagevermögens wieder an Wert gewinnt, musst Du den Buchwert erhöhen. Die Zuschreibung ist jedoch auf die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt.

Beim strengen Niederstwertprinzip gilt diese Pflicht ebenfalls, allerdings meist nur temporär, da hier Wertänderungen ohnehin jährlich überprüft werden. Auch das Wertaufholungsgebot stellt sicher, dass Deine Bilanz weder zu pessimistisch noch zu optimistisch ist.

Wie unterscheidet sich das Niederstwertprinzip vom Höchstwertprinzip?

Das Niederstwertprinzip und das Höchstwertprinzip sind zwei Seiten derselben Vorsicht. Während das Niederstwertprinzip für Vermögenswerte gilt – also für alles, was Dir gehört –, betrifft das Höchstwertprinzip Schulden und Rückstellungen.

Konkret heißt das:

  • Vermögenswerte werden zum niedrigeren von Anschaffungswert oder aktuellem Marktwert angesetzt.
  • Verbindlichkeiten werden zum höheren von Rückzahlungs- oder Erfüllungsbetrag bewertet.

Sinkt beispielsweise der Wert Deiner Waren, muss er in der Bilanz niedriger angesetzt werden – das ist das Niederstwertprinzip für Vermögenswerte. Steigt dagegen die erwartete Steuerlast, muss sie mit dem höheren Erfüllungsbetrag bewertet werden – hier greift das Höchstwertprinzip für Verbindlichkeiten. Beide Prinzipien sorgen dafür, dass Deine Bilanz eher vorsichtig als zu optimistisch ausfällt.

Wie beeinflusst das Niederstwertprinzip Bilanz und Reporting?

Das Niederstwertprinzip wirkt sich direkt auf Deine Bilanz und Dein Ergebnis aus: Wenn Du Vermögenswerte niedriger bewertest, sinken Gewinn, Eigenkapital und damit oft auch Kennzahlen wie die Eigenkapitalquote oder das EBIT. Das macht die Bilanz vorsichtiger, aber auch glaubwürdiger.

In der Praxis führt die Anwendung des Prinzips häufig zu außerplanmäßigen Abschreibungen. So wird der Buchwert korrigiert, wenn der aktuelle Marktwert eines Vermögensgegenstands unter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten fällt. 

Steuerlich mindert eine solche Abschreibung den Gewinn und damit die Steuerlast. Steigt der Wert später wieder, greift das Wertaufholungsgebot: Der Buchwert muss angepasst werden, wodurch sich die Steuerlast verschiebt, aber nicht dauerhaft sinkt. Das wirkt wie ein temporärer steuerlicher Puffer, der sich bei Zuschreibungen wieder ausgleicht.

Im Reporting zeigt sich der Effekt in mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Du dokumentierst, wie sich Marktveränderungen tatsächlich auf Deine Vermögenswerte auswirken, und vermeidest übertriebene Wertansätze. So wird Dein Jahresabschluss zu einem ehrlichen Abbild der wirtschaftlichen Realität und stärkt das Vertrauen von Banken, Investierenden und Geschäftspartner:innen.

FAQ

Wann gilt das gemilderte Niederstwertprinzip?

Das gemilderte Niederstwertprinzip gilt für das Anlagevermögen – also für langfristige Vermögenswerte wie Maschinen oder Gebäude. Eine Abschreibung erfolgt nur bei dauerhaftem Wertverlust, vorübergehende Schwankungen bleiben unberücksichtigt.

Wann gilt das strenge Niederstwertprinzip?

Das strenge Niederstwertprinzip betrifft das Umlaufvermögen, also Vermögenswerte zur kurzfristigen Veräußerung oder Nutzung. Hier muss immer der niedrigere Wert angesetzt werden.

Kann der Wert eines Vermögensgegenstands wieder erhöht werden?

Ja, durch das Wertaufholungsgebot. Sobald die Gründe für die Wertminderung entfallen, musst Du eine Zuschreibung vornehmen – höchstens bis zu den fortgeführten Anschaffungskosten.

Wie hängt das Niederstwertprinzip mit dem Vorsichtsprinzip zusammen?

Beide beruhen auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Das Vorsichtsprinzip verlangt, Risiken früh zu berücksichtigen. Das Niederstwertprinzip setzt genau das bei der Bewertung von Vermögenswerten um.

Was ist der Unterschied zum Anschaffungswertprinzip?

Das Anschaffungswertprinzip besagt, dass Vermögenswerte in der Bilanz höchstens zu ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden dürfen – eine Bewertung über diesen Wert hinaus ist ausgeschlossen. Das Niederstwertprinzip geht einen Schritt weiter: Es verlangt oder erlaubt, den Buchwert zusätzlich auf den niedrigeren aktuellen Wert abzuschreiben, wenn dieser unter den Anschaffungskosten liegt.

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